Im Irak leben heute mehr als 250.000 syrische Flüchtlinge. Dabei sind in dem Land selbst viele Iraker auf der Flucht. Medair unterstützt dort Binnenvertriebene und auch Menschen aus Syrien. Dabei achten wir gerade auf Personen mit besonderen Herausforderungen. Denn ältere und behinderte Geflüchtete brauchen individuelle Nothilfe. Häufig werden sie jedoch übersehen oder vergessen. Medair traf im Irak ein ganz besonderes Ehepaar, das stark beeindruckte.

Waded ist 79 Jahre alt und pensionierter Lehrer. Schulbildung für Kinder ist ihm ein großes Anliegen und seine eigentliche Leidenschaft. Der Iraker ist weit gereist und hat lange in Europa gelebt. Seine drei Kinder leben noch immer dort und arbeiten als Ärzte und Ingenieure. Bereits in der Grundschule lernte er seine spätere Frau kennen. Bis heute sind die beiden ein Liebespaar. In ihrem hohen Alter mussten sie – wie rund zwei Millionen andere Iraker auch – wegen des anhaltenden Konflikts fliehen.

Als die Kämpfe in ihrer Heimatstadt Hawija ausbrachen, gab es für Waded und seine Frau Sameera nur eine Möglichkeit: Sie mussten schnell fliehen! Nach einem stundenlangen Fußmarsch erreichten sie schließlich ein Camp, das als provisorischer Zufluchtsort für Flüchtlinge aus Hawija angelegt worden war.

Für den 79-jährigen Waded war die Reise sehr anstrengend; für seine gleichaltrige Frau Sameera war sie kaum zu bewältigen. Sie hatte wegen ihrer geschwollenen Beine bereits in ihrer Heimat Mühe und Schmerzen beim Laufen. Der Fußmarsch erschöpfte sie völlig. Ein paar Männer trugen sie einen Teil der Strecke. Doch trotz der Unterstützung forderte die Reise ihr alles ab.

Ältere Geflüchtete werden in akuten Notlagen, etwa auf der Flucht, häufig übersehen oder vergessen. Sie haben besondere Bedürfnisse und benötigen individuelle Hilfe. Sie brauchen unsere erhöhte Aufmerksamkeit. Doch viele humanitäre Organisationen können in Krisen diese individuelle Art der Nothilfe nicht gewährleisten. Auch leiden ältere Menschen oft an chronischen Krankheiten. Sie brauchen regelmäßig Medikamente und Gesundheitsdienste. Andere haben Behinderungen, die ihren Alltag in der neuen Umgebung enorm erschweren. Bei Katastrophen oder Konflikten werden alte und behinderte Menschen manchmal von ihren Familien getrennt – und sind dann ganz auf sich allein gestellt.

Wenn die Zeit drängt und Leben in Gefahr sind, geht es Ersthelfern primär darum, möglichst viele Menschen mit umfassender Nothilfe zu versorgen. So viele Leben wie möglich sollen gerettet werden. Leider bedeutet dies, dass spezifische Bedürfnisse untergehen. Unseren Teams ist dies bewusst. Sie geben ihr Bestes, um angemessen auf diese “unsichtbaren” Bedürfnisse zu reagieren. Egal, wo Notleidende leben und wie schwer es ist, sie zu erreichen: Wir sind fest davon überzeugt, dass jedes Leben zählt.

Waded mit seiner Ehefrau Sameera, beide 79 Jahre alt.

Als Medair-Mitarbeiter Waded und seine Frau kennenlernten, brachten sie sie mit Handicap International in Verbindung. Die Hilfsorganisation setzt sich für bedürftige Menschen mit Behinderungen ein, die mit Armut, Ausgrenzung, Konflikten oder Katastrophen konfrontiert sind. Handicap International organisierte für Sameera einen neuen Rollator, der ihr heute beim Laufen eine große Hilfe ist.

Waded und Sameera hinterließen beim Medair-Team im Irak einen bleibenden Eindruck. Die große Liebe, die das Paar verbindet, ist wunderschön und einzigartig: Im provisorischen Flüchtlingscamp sah man sie fast immer Seite an Seite. “Meine Frau ist mein Ein und Alles”, schwärmt Waded. “Ich habe mich in der Grundschule in sie verliebt und liebe sie bis heute. Ich will nie ohne sie sein.”

 

Bitte unterstützen Sie mit einer Spende unsere Projekte in Krisen- und Konfliktregionen. Wir möchten weiterhin Menschen die Hilfe geben, die sie so dringend brauchen. Vielen Dank!