Rund ein Dutzend Frauen warten mit ihren Kindern vor dem Isolierzelt im Kuajok-Krankenhauses in Gogrial. Mitarbeiter von Medair haben es errichtet. Hier werden Kinder mit Masern behandelt, um weitere Ansteckungen zu vermeiden.

Ein leises Rasseln erfüllt den Innenhof. Es kommt aus einer staubigen, mit Kieselsteinen gefüllten Plastikflasche. Mit dem selbstgebastelten Spielzeug versucht Amel die Aufmerksamkeit ihres Sohns Agiu auf sich zu lenken. Doch der Einjährige reagiert nicht. Er ist schwer unterernährt und hat Masern. Agiu wirkt fiebrig und kraftlos. Um seine Lippen herum hat er offene Wunden. Es verwundert nicht, dass er nicht an der Brust seiner Mutter trinken will.

Im Frühjahr 2019 wurde Medair gebeten, in den Bezirken West-Gogrial und Ost-Gogrial die Bewohner gegen Masern zu impfen. Die Zahl unterernährter Menschen ist in der Region extrem hoch. Rund 600.000 Menschen leben dort in kleinen Dörfern, die sich über das gesamte Gebiet erstrecken. Nur wenige sind mit dem Straßennetz verbunden. Medair-Mitarbeitende brauchten Allradfahrzeuge, um Impfstoffe und Hilfsgüter zu befördern oder liefen stundenlang zu Fuß in die abgelegenen Gemeinschaften.

Mit einer groß angelegten Impfkampagne impfte unser Nothilfeteam 250.000 Kinder zwischen sechs Monaten und 15 Jahren. Sie sind nun vor der tödlichen Krankheit geschützt. 800 Helfer wurden extra für dieses Notfall-Projekt beschäftigt.

 

Als Medair auch in Amels Dorf kam, hatte sich der kleine Agiu leider schon mit Masern infiziert. Seine Mutter trug ihn ins Kuajok-Krankenhaus. Der Fußmarsch dauerte drei Stunden. “Bei Masern handelt es sich um eine vollständig vermeidbare Infektionskrankheit”, erklärt Medair-Gesundheitsexpertin im Südsudan Nathalie Page. “Die Kinder in diesem Land haben es verdient, besser vor einer Ansteckung geschützt zu werden.”

800 Mitarbeitende wurden für das Impf-Projekt eingestellt und im Umgang mit dem Impfstoff, der Mobilisierung der Bevölkerung sowie in der Datenverarbeitung geschult.

Seit Jahren ist James Ngor in der Region für das Routine-Impfprogramm des Gesundheitsministeriums
zuständig. Aufgrund des Konflikts war es nicht möglich, flächendeckende Impfkampagnen durchzuführen. James hat aus nächster Nähe beobachtet, wie rasend schnell sich Masern ausbreiten: “Die Krankheit kommt zumeist in abgelegenen Regionen zum Ausbruch, dort, wo die Menschen nicht umfassend informiert sind. In der Regel ist auch der Weg ins nächste Krankenhaus sehr weit. So stecken sich viele Kinder an. Auch waren zahlreiche Menschen in den vergangenen Jahren auf der Flucht und haben wichtige Impfungen versäumt.”

“Der Einsatz von Medair ist das Beste, was ich in den vergangenen 20 Jahren gesehen habe”, lobt James. “Ihr seid an weit entfernte Orte gereist, dorthin, wo Menschen immer am stärksten leiden. Zudem habt ihr einen flächendeckenden Impfschutz sichergestellt und dabei auch ältere Kinder berücksichtigt.” Das umfassende Impfprogramm Expanded Program on Immunisations (EPI) enthält auch die Masern-Impfung und wird in von Medair unterstützten Krankenhäusern angeboten.

Auch Ajok hat ihre beiden Kinder gegen Masern impfen lassen. “Ich machte mir ständig Sorgen, dass sie sich anstecken”, sagt sie. “Danke, dass ihr hierhergekommen seid.

Auch Akons Familie wurde von der mangelhaften Impfdeckung im Südsudan hart getroffen. Im März erreichte die Masernwelle ihr Dorf. Zwei ihrer Enkelsöhne infizierten sich und starben. “Jedes Mal, wenn ich an den Gräbern der Kinder stehe, möchte ich weinen und schreien”, so Akon. “Ich kann nicht mehr mit ihnen sprechen oder spielen, denn sie sind weg.” Als Medair Akon traf, impften wir alle anderen Kinder in ihrer Familie gegen Masern.

Im Kreise der Familie trauert Akon um ihre zwei Enkelsöhne, die im März 2019 an den Komplikationen einer Masern-Infektion starben. Jetzt sind alle Kinder in der Familie geimpft.

 

Bitte unterstützen Sie mit einer Spende unsere Projekte in Krisen- und Konfliktregionen. Wir möchten weiterhin Menschen die Hilfe geben, die sie so dringend brauchen. Vielen Dank!


Partner des Notfall-Teams von Medair im Südsudan:

ECHO (Europäisches Amt für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz)
UK Aid (Regierung Großbritannien)
Private Spender und Unternehmen

 

Die Inhalte dieses Artikels stammen von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten und dem internationalen Hauptsitz. Die geäußerten Meinungen entsprechen ausschließlich jenen von Medair und nicht unbedingt dem offiziellen Standpunkt anderer Hilfsorganisationen.