Berichte DR Kongo
Vainqueur muss leben!
Eine junge Mutter erzählt, wie ihr kleiner Sohn dank der Unterstützung des MEDAIR-Gesundheitsteams im Lager für Binnenvertriebene Bushagara eine Choleraerkrankung überlebte.
Es ist Mitternacht, als der schreckliche Lärm von Waffen und Bomben das Dorf Rugari erreicht, in dem die 25-jährige Aline Sadiki lebt. Sie erwartet ihr drittes Kind; ihr ältester Sohn Vainqueur ist drei Jahre alt. In dieser Nacht verändert sich ihr Leben von Grund auf. Zunächst ist Aline hin- und hergerissen zwischen der Entscheidung, zu fliehen, um ihre Familie in Sicherheit zu bringen, oder zu bleiben, und auf Frieden zu hoffen:
„Dieser Krieg wird mein Dorf nicht erreichen, sie werden sicherlich in den Nachbardörfern bleiben. Ich werde sehen, wie sich die Dinge entwickeln“, denkt sie sich. Doch am frühen Morgen erreichen die Kämpfe schließlich Rugari. Aline begreift, dass dieser Konflikt ihr nichts schenken wird und er einer Frau, die kurz vor der Geburt steht und in Sicherheit entbinden muss, keinen Waffenstillstand gewähren wird.“
Da weiß Aline, dass sie fliehen muss. „Ich hatte keine Wahl. Ich hatte Angst, das Kind in meinem Bauch zu verlieren. Und als ich in die unschuldigen Gesichter meiner Kinder sah, die bereits auf der Welt waren, wusste ich, dass ich sie beschützen musste. Das Kind in meinem Bauch musste wohl noch ein wenig warten.“
Annähernd 30 Kilometer muss Alines Familie zu Fuss zurücklegen, um das Vertriebenenlager Kanyaruchinya im Gebiet Nyiragongo am Rande der Stadt Goma zu erreichen.
„Der Weg war nicht einfach, mehrere Menschen haben Familienmitglieder verloren. Wir hatten nichts von Zuhause mitgenommen, nur die Kleidung, die wir am Leib trugen. Mir war egal, ob es regnete oder kalt war. Nichts war wichtiger, als mein Leben zu retten und meine Kinder zu beschützen. Ich band sie mit einem Seil an meiner Hüfte fest, um sicherzugehen, dass ich sie nicht verliere“, erinnert sich Aline.
Im Lager für Binnenvertriebene angekommen, kann Aline schließlich in einem Gesundheitszentrum in der Nähe von Kanyaruchinya entbinden. Sie kommt etwas zu Atem und glaubt, außer Gefahr zu sein. Mit ihrer Familie lässt sie sich am Rande von Kanyaruchinya, im Vertriebenenlager Bushagara, nieder, das für die Aufnahme von rund 15.000 Menschen gebaut wurde. Für einen kurzen Moment findet die junge Mutter Zuflucht, unwissend dass sich ein ebenso tödlicher und unsichtbarer Feind den Weg in ihre Familie bahnt: die Cholera. Der Betroffene ist ihr dreijähriger Sohn Vainqueur.
Aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen hat diese Krankheit in einigen Lagern bereits Todesopfer gefordert, wobei vor allem Kinder unter fünf Jahren gefährdet sind. Als Reaktion auf diese epidemische Notlage hat MEDAIR eine Cholera-Behandlungsstation im Gesundheitszentrum von Bushagara in der Nähe von Nyiragongo eingerichtet.
„Vainqueur bekam Durchfall, er wurde so schwach. Ich sah, wie sich seine kleinen Augen schlossen und hatte große Angst. Mein Kind lag im Sterben. Jemand hatte mir von einer MEDAIR-Klinik erzählt, wo die Behandlung kostenlos ist. Wir hatten erst versucht, ihn mit Kräutern zu behandeln, wie es bei uns üblich ist. Ich dachte, er hätte nur etwas Falsches gegessen. Aber schließlich sagte ich mir, ‘Vainqueur muss leben!’ Also ging ich zu MEDAIR.“
Aline schafft es, den kleinen Vainqueur rechtzeitig zum medizinischen Team von MEDAIR zu bringen, das im Zentrum des Lagers angesiedelt ist und rund um die Uhr arbeitet. Seit seiner Einrichtung im Januar 2023 haben die dort lebenden Menschen kostenfreien Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Die Mitarbeitenden von MEDAIR konnten bis heute über 2100 Patienten behandeln, darunter 614 Kinder unter fünf Jahren. Zudem haben sie die Geburt von fünf Kindern begleitet. Der Zugang zu medizinischer Versorgung inklusive einer Versorgungsstation für Cholera-Erkrankte hat den Standort Bushagara zu einem lebenswerteren Ort für seine Bewohnenden gemacht.
„Ich bin dankbar für das, was MEDAIR für meinen Sohn Vainqueur getan hat. Heute sehe ich ihn lächeln und bin sehr glücklich, dass er gesund aufwachsen kann. In der Klinik haben wir von den Ärzten nicht nur die notwendige Behandlung erhalten, wir haben auch jeden Tag etwas zu essen bekommen. Dadurch hat sich Vainqueur noch besser erholt. Als wir das Krankenhaus verließen, gab mir MEDAIR Waschschüsseln, Seife und alles, was ich brauchte, um mich um meine Familie zu kümmern und mein Haus sauber zu halten“, fügt Aline hinzu.
„Wenn ich meinen Sohn Vainqueur sehe, wünsche ich mir, dass er eines Tages ein großartiger Arzt wird“, lacht Aline. „Vielleicht auch ein Abgeordneter, aber auf jeden Fall möchte ich, dass er jemand Wichtiges wird. Das ist mein Traum für ihn.“
Unsere MEDAIR-Teams sind tagein und tagaus im Einsatz, um auf den Gesundheitsnotstand zu reagieren und den Binnenvertriebenen im Lager Bushagara eine kostenlose medizinische Versorgung zu ermöglichen. Die medizinische Unterstützung ist für diese vulnerablen Gemeinschaften essentiell. Über 600.000 Menschen sind durch den bewaffneten Konflikt im Land zur Flucht aus ihren Dörfern gezwungen worden.
In dem von MEDAIR eingerichteten Gesundheitszentrum werden täglich durchschnittlich zwei Cholerafälle behandelt, welche mehrheitlich Kinder treffen. Seit Februar steigt auch die Zahl der Masernfälle im Lager. Vor allem bei Kindern unter fünf Jahren breitet sich die Krankheit schnell aus. Die MEDAIR-Teams mussten ihren Einsatz verdoppeln, um auf diese Welle adäquat reagieren zu können. Die Entschlossenheit der Teams im Kampf gegen die Epidemien, die in diesem Lager grassieren, ist stärker denn je. Denn jedes Leben zählt!
Die Arbeit von MEDAIR in Bushagara wird durch finanzielle Mittel der Europäischen Union und privaten Spendern ermöglicht.