Ich sitze in Omars Büro und verschaffe mir einen Überblick über die Liste der informellen Siedlungen, die sein Team im Laufe des Tages besuchen wird. Als Projektleiter des Programms für wetterfeste Unterkünfte berichtet er von der Hektik der vergangenen Woche. Sein Team steckt mitten in der Nothilfephase der Zeltabdichtungen. Nach den jüngsten Stürmen und Schneefällen haben sie zahlreiche Anrufe von syrischen Geflüchteten erhalten, die in informellen Siedlungen leben und deren Zeltdächer undicht oder in einigen Fällen sogar eingestürzt sind. Omars Team geht diesen Anrufen nach, indem sie den Zustand der Zelte beurteilen und anhand der sektoralen UNHCR-Richtlinien feststellen, ob die Familien Anspruch auf ein Wetterschutz-Set für ihr Zelt haben.
Ich bin Anfang Februar in Zahlé eingetroffen, um als Projektbeauftragte im Libanon die Programmteams zu unterstützen. Zahlé ist die bevölkerungsreichste Stadt im Bekaa-Tal, einem Gebiet mit der grössten Anzahl registrierter Geflüchteter im Libanon. Aufgrund der „No-Camp“-Politik der libanesischen Regierung, die den Bau von Lagern verbietet, leben viele Geflüchtete aus Syrien in informellen Siedlungen auf gemietetem Land. Da sie zudem keine dauerhaften Bauten errichten dürfen, haben die Geflüchteten an diesen Orten Zelte aus Holz, Planen und anderen Materialien errichtet. Der Syrienkonflikt geht bereits in sein zwölftes Jahr, und die Geflüchteten befinden sich weiterhin in einem langwierigen Schwebezustand. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten für eine lokale Integration und einer Rückkehr nach Syrien, von welcher viele kaum zu träumen wagen, ist die Ungewissheit ein täglicher Begleiter.
Heute begleite ich Omar und sein Team zu einer informellen Siedlung etwa zwanzig Minuten außerhalb von Zahlé. Geplant ist, den jüngsten Hilferufen nachzugehen und Wetterschutz-Sets zu verteilen. Auf der Fahrt durch das Bekaa-Tal fallen mir die vielen weißen Bauten auf, die die Landschaft prägen und je nach Region von einer Handvoll bis zu über hundert Zelten reichen. Omars Team besucht zuerst das von Medair betriebene UNHCR-Lagerhaus, um dort Hilfsgüter abzuholen. Ordentlich aufeinandergestapelt sind dort Matratzen, Planen, Feuerlöscher, Bauholz, Sperrholz, Decken, Öfen und Brennstoff – alles Dinge, auf die die Geflüchteten angewiesen sind, um ihre Zelte zu reparieren und sie bewohnbar zu machen.