Wie kann Not- und Soforthilfe nachhaltig gestaltet werden? Wie sorgen wir dafür, dass unsere Projekte langfristige Auswirkungen erzielen – auch dann noch, wenn unsere Teams nicht mehr im Einsatz sind? 

Einer unserer Lösungsansätze besteht darin, freiwillige Mitarbeitende umfassend zu schulen. Wenn ein Projekt abgeschlossen ist, verlassen nationale und internationale Mitarbeitende nach und nach das Einsatzgebiet. Doch lokale, gut ausgebildete Freiwillige bleiben vor Ort und stellen sicher, dass die positiven Entwicklungen in ihren Dörfern voranschreiten

Die Fähigkeiten, die sich die freiwilligen Helfer aneignen, eröffnen ihnen zudem neue Möglichkeiten. Viele sind Anfang zwanzig. Aufgrund ihrer Situation mussten sie auf Schulbildung verzichten. Wir hoffen, dass das Wissen, welches sie sich in den Bereichen Gesundheit, Ernährung oder Bautechnik aneignen, sie beruflich weiterbringt.

Beispiel Afghanistan: „Ich möchte meine Gemeinschaft unterstützen“, sagt der 23-jährige Fahim. „Lange wussten wir gar nichts über Unterernährung. Heute bin ich gut informiert und kann Betroffenen helfen. Kein Kind sollte mehr an Unterernährung leiden müssen.“ In einer Gemeinschaftseinrichtung haben sich Mütter mit ihren Kindern eingefunden. Sie alle warten auf eine Behandlung durch das Ernährungsteam von Medair. Ärzte und Pflegekräfte untersuchen jede Frau. Jedes Kind wird gewogen und die Körpergröße gemessen. Das Weinen von Babys, die auf das medizinische Screening warten, übertönt Farhims Worte.

Er erzählt, dass er seit seinem zweiten Lebensjahr in diesem Dorf wohnt. Seine Gemeinschaft liegt zwischen Hügeln eingebettet im zentralen Hochland Afghanistans. Weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten haben Familien dort kaum Zugang zu grundlegender Versorgung. Die meisten müssen ohne medizinische Dienste und ausgewogene Mahlzeiten auskommen. Der Weg in die nächstgelegene Stadt führt über einen steilen Bergpass und dauert Tage. Im Sommer ist dieser lange Fußmarsch bereits eine große Herausforderung. In den strengen Wintermonaten ist es so gut wie unmöglich, in die Stadt zu gelangen.

Als unser Team zum ersten Mal lebensrettende Ernährungsdienste für Kinder in dem Dorf bereitstellte, boten Fahim und seine Frau Roya sofort ihre Hilfe an. Ihr Freund Amir und dessen Frau Diba folgten ihrem Beispiel. „Wir suchen jede einzelne Familie im Dorf auf“, berichtet Fahim. „Alle Kinder werden von uns untersucht. Wer an Unterernährung leidet, wird an die Fachkräfte des Ernährungsteams überwiesen.“ Am Tag bevor unser medizinisches Team ins Dorf kommt, besuchen freiwillige Helfer die betreffenden Haushalte, um sicherzugehen, dass niemand das Screening verpasst.

 

Einwohner eines Dorfes im zentralen Hochland Afghanistans treffen sich mit Mitgliedern des Medair-Teams. © Medair 

Beispiel Bangladesch: Auch Mounir (Name geändert) unterstützt als Freiwilliger die Hilfsdienste von Medair für geflüchtete Rohingya-Familien in Bangladesch. Er ist selbst ein Rohingya. Im Flüchtlingslager Kutupalong verteilt er in einer Ernährungseinrichtung von Medair und World Concern neue Gutscheine an Mütter und ihre Kinder.

 

Die Energie und die Begeisterung vieler Freiwilliger spricht Bände. Sie nutzen oft jede Gelegenheit, das Gelernte anwenden zu können. „Einmal fand ein großes Fest in unserem Dorf statt“, erinnert sich Mohammad. „Aus dem ganzen Tal strömten die Menschen zu uns und ich dachte mir: Warum soll ich mein Wissen nicht auch mit ihnen teilen? Wenig später stand ich auf und hielt einen kleinen Vortrag darüber, wie wichtig gesunde Ernährung ist.“ Und Ahmad, der unser Gesundheitsteam in Bangladesch unterstützt, sagt: „Wenn ich nach eines Tages nach Myanmar zurückkehren kann, möchte ich weiterhin im Gesundheitssektor arbeiten.“

Geflüchtete Rohingya nehmen als freiwillige Gesundheitshelferinnen an einer Schulung zur Gesundheitsförderung im Lager Kutupalong, Bangladesch teil. © Medair 

 

Die Herausforderungen, mit denen Menschen in Ländern wie Afghanistan oder dem Südsudan kämpfen, sind vielfältig. Überwältigend sind sie alle – und man könnte angesichts des großen Leids der Betroffenen leicht die Hoffnung verlieren. Freiwillige finden dennoch die Kraft, sich zu engagieren und aktiv zu einer Lösung der Probleme in ihrem Land beizutragen. Sie lassen sich nicht entmutigen. Aufgeben? Das ist für sie keine Option.  

Den Einsatz, das Wissen und den Wert freiwilliger Helfer dürfen Hilfsorganisationen niemals als selbstverständlich hinnehmen. Wir sollten uns regelmäßig nach ihren Wünschen und Bedürfnissen erkundigen und bei Überlastungserscheinungen im Zusammenhang mit der großen Verantwortung, die sie tragen, frühzeitig gegensteuern. Es ist wichtig, dass wir dafür sorgen, dass sie – genau wie alle anderen humanitären Mitarbeitenden – in ihrem Arbeitsumfeld geschützt sind und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfolgt.

Hand in Hand mit freiwilligen Helfern können wir weiterhin bedürftigen Gemeinschaften Sinn und neue Hoffnung schenken und ihnen in prekären Situationen effiziente, nachhaltige Lösungsansätze bieten.

Bitte unterstützen Sie mit einer Spende unsere Projekte in Krisen- und Konfliktregionen. Wir möchten weiterhin Menschen die Hilfe geben, die sie so dringend brauchen. Vielen Dank!