Auch Wochen nach den schweren tropischen Wirbelstürmen Idai und Kenneth leiden die Menschen in Mosambik unter den Folgen. Die Spur der Verwüstung ist weitreichend. Häuser, Schulen und Ernten sind zerstört. Trinkwasser, Lebensmittel, medizinische Versorgung und vorallem schützende Unterkünfte sind jetzt dringend. Medair ist vor Ort und leistet lebensrettende Hilfe in schwer zugänglichen Regionen. Doch wichtig ist auch, dass wir Menschen Trotz und Hoffnung geben – und ihre Geschichten hier weitergeben.  

Mosambik gehört zu den ärmsten und bedürftigsten Ländern der Welt. Zyklon Kenneth traf am 25. April 2019 im Norden auf Land. Der stärkste Sturm in der Geschichte des Landes folgte unmittelbar auf den bereits verheerenden Wirbelsturm Idai vom 14. März in mehrere Provinzen.

Die extremen Wetterverhältnisse behindern die humanitäre Hilfe. Erste Luftaufnahmen zeigen dutzende zerstörte Küstendörfer und Inseln. Viele Orte sind aufgrund des anhaltenden Regens sowie überschwemmter Straßen und Brücken noch unzugänglich. Auch Lufteinsätze sind zurzeit angesichts des Unwetters keine Option.

Ein Team von Medair ist in Pemba, der Provinzhauptstadt von Cabo Delgado. Die Stromversorgung brach nach Sturm Kenneth zusammen. Durch die schweren Schäden an der lokalen Infrastruktur war die Kommunikation in und der Zugang zu den betroffenen Gebieten tagelang gesperrt. Erst nach einigen Tage wurde das volle  Ausmaß der Katastrophe bekannt. Unmittelbar nach dem Sturm entsandten Hilfsorganisationen, die seit Zyklon Idai bereits in Beira aktiv sind, Personal und Hilfsgüter in den Norden.

Erste Bedarfsanalysen in Pemba bestätigen: Der Tropensturm selbst richtete geringe Schäden an. Doch folgenschwerer für die 200.000-Einwohner-Stadt sind die folgenden  heftigen Regengüsse. „Seit Tagen regnet es ununterbrochen“, beschreibt Ana von der Organisation Food for the Hungry die Lage vor Ort. „Tiefergelegene Viertel in Küstennähe wurden komplett überschwemmt. Der Boden weicht nach und nach auf. Gefährliche Schlammlawinen können gesamte Stadtteile unter sich begraben.“ Viele Bewohner besonders gefährdeter Wohnviertel suchten Schutz in Schulen. Doch die Familien wurden in andere Zentren verlegt, damit der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden kann. „Diese beiden Wirbelstürme so dicht aufeinander sind ein schwerer Schlag für unser Land“, so Ana. „Wir aus Mosambik sind stark – aber der Bedarf an Hilfe ist momentan enorm. Ob wir aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen? Das ist wohl unmöglich.“

Die 6-jährige Celestina steht im strömenden Regen vor einem Schutzzentrum in Pemba, Mosambik.

Der 10th Congress ist das größte Schutzzentrum in der Umgebung. Normalerweise ist es ein Tagungsort für lokale Behörden. Bei unserer Ankunft läuft uns eine Handvoll kleiner Kinder barfuß durch den strömenden Regen entgegen. Francisco, der Leiter des Schutzzentrums, sagt uns: „Vergangene Woche haben wir 800 Menschen aufgenommen. Stündlich kommen weitere hinzu. Wir geben unser Bestes. In jedem Raum leben jetzt sechs Familien.“ Er führt mich durch die kleinen Räume. Auf dem Boden sind Schlafplätze eingerichtet. „Viele dieser Menschen besitzen gar nichts mehr. Die Fluten haben alles weggeschwemmt“, sagt Francisco.

Die Schutzsuchenden im 10th Congress stammen aus zwei verschiedenen Stadtvierteln, oder bairros, wie man auf Portugiesisch sagt. Ihre Gebiete wurden von den Regenfällen, dem Hochwasser und den Erdrutschen besonders schwer getroffen. Tina Mahando kommt aus dem Chibabari bairro. Sie erinnert sich:

Man hatte uns vor dem zweiten Tropensturm gewarnt. Weil er nicht so heftig war,  waren wir sehr erleichtert. Unsere Häuser wurden kaum beschädigt. Doch am nächsten Tag setzte der Regen ein. Richtige  Wassermassen stürzten auf uns herab. Sie wurden zu reißenden Flüssen und stürzten die Hügel herunter. Es war ein schrecklicher Krach. Ich nahm meine kleinen Kinder auf den Arm und rannte los. Wir konnten gar nichts einpacken. Wo sollen wir jetzt leben. Dort, wo unsere Häuser einst standen, können wir keine neuen bauen. Das ist viel zu gefährlich. Auch die Felder stehen unter Wasser. Unsere Ernte ist verloren. Wir haben nicht genug zu essen. Die Regierung tut, was sie kann. Aber die Essensrationen reichen nicht für alle.“

Tina Mahando kocht Essen für Schutzsuchende in einem der Zentren in Pemba, Capo Delgado, Mosambik. (30. April 2019).

Ich möchte mir mit meinen Kollegen ein besseren Bild der Lage in Chibabari bairro machen – der einstigen Heimat von Tina. Der Zugang für Fahrzeuge ist gesperrt. Also machen wir uns zu Fuß auf den Weg.

Der schmale Pfad, der sich den Hügel hinaufschlängelt, ist übersät mit Müll. Das Viertel liegt erhöht neben der größten Abfalldeponie der Stadt. Der faulige Gestank ist kaum zu ertragen; der aufgeweichte Boden ist wie Treibsand unter unseren Füßen. „Stopp, nicht weitergehen!“, höre ich jemanden hinter uns rufen. Ich sehe einen älteren Mann auf der Veranda eines Lehmhauses. Überall Müll und roter Schlamm. Jose Abdul ist 68 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Quissanga. „Früher lebte ich zusammen mit meiner Tochter weiter unten im Tal“, erzählt er. „Als das Haus meines Nachbarn von einer Schlammflut mitgerissen wurde, war mir klar: Hier können wir nicht bleiben.“ Jose ist gelähmt. Mithilfe zweier Holzstöcke richtet er sich mühesam auf: „Alle meine Bekannten harren im Kongresszentrum aus. Doch ich schaffe es nicht bis dorthin“.

Jose und seine Tochter sind vorübergehend bei einer befreundeten Familie untergekommen: „Wir haben kaum etwas zu essen und unser Haus ist zerstört. Sechs Menschen sind in unserem Viertel gestorben. Durch das Wasser stürzten ihre Häuser über ihnen ein. Es ist sehr gefährlich. Mein Haus kann ich hier nicht wieder aufbauen“, sagt Jose traurig.

Jose Abdul ist 68 Jahre alt und lebte vor Zyklon Kenneth im Chibabari bairro der Stadt Pemba, Mozambik. Sein Stadtviertel wurde von den Fluten und Erdrutschen schwer verwüstet.

In den kommenden Wochen wird es primär darum gehen, Menschen wie Jose möglichst rasch mit Nothilfe zu versorgen.

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