Mitten im Gespräch platzt Marinas Tochter Karolina energisch ins Zimmer. Alvitina fährt fort: „Anfang März wurde unsere Stadt in Dnipro zum ersten Mal Ziel von Luftangriffen ganz in der Nähe unseres Hauses. Wir warteten auf den richtigen Zeitpunkt und brachen auf. Wir nahmen nur das Nötigste mit: die Sauerstoffflasche meines Mannes, etwas Kleidung, Medikamente und unsere Katzen. Mein Mann weigerte sich, die Katzen zurückzulassen“, sagt sie und lacht dabei auf, während sie Karolinas Hand hält.
Marina erzählt weiter: „Wir brachen kurz nach den Angriffen auf. Auf dem Weg nach Polen kontaktierten wir einige Verwandte. Sie halfen uns bei der Suche nach einer günstigen Unterkunft, die wir schließlich auch fanden. Wir hatten aber nur wenige Ersparnisse und konnten es uns nicht leisten, länger als zehn Tage dort zu bleiben. Am 22. März zogen wir in dieses Haus, das wir zurzeit mit sieben anderen Familien teilen. Der Vermieter war sehr hilfsbereit. Er half Geflüchteten, die aus der Ukraine nach Polen kamen. Im Rahmen einer Initiative der polnischen Regierung ließ er uns vier Monate lang mietfrei hier wohnen und war sogar so nett, unseren Aufenthalt um einige Monate zu verlängern. Wir werden nochmals an einen neuen Ort ziehen müssen, aber wir wissen noch nicht, wohin.“
Marina und ihre Familie hatten angefangen, sich langsam an das Leben in Polen zu gewöhnen, da folgte ein weiterer Schicksalsschlag: „Auf der Flucht verschlechterte sich der Zustand meines Vaters. Er begann sich ziemlich krank zu fühlen, doch wir wussten nicht, was er hatte. Kurz darauf wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Er benötigte sofortige Hilfe. Doch wir konnten nichts tun. Als Geflüchtete haben wir nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Wir wussten nicht, was wir tun oder an wen wir uns wenden sollten. Außerdem ist das Gesundheitssystem hier anders aufgebaut, sodass es eine Weile dauerte, bis wir eine Klinik fanden, in dem wir ihn für eine umfassende Untersuchung und für Unterstützung anmelden konnten. Schließlich fanden wir eines in der Nähe. Mein Vater wurde auf die Warteliste gesetzt. Die fünf Monate, die wir warten mussten, schienen wie eine Ewigkeit. Sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Doch wir konnten nichts anderes tun, als zu warten. Irgendwann ging es meinem Vater so schlecht, dass er noch nicht einmal mehr laufen konnte“, erzählt die junge Frau traurig.
„Wir haben große Mühe, das Geld für all die Medikamente aufzubringen, die er benötigt. Doch wir sind dankbar, zumindest ein Dach über dem Kopf zu haben. Wir kämpfen mit finanziellen Problemen und die Bedingungen, um weiter mietfrei hier wohnen zu können, sind streng. Strom ist teuer und für uns unbezahlbar, daher verzichten wir so weit wie möglich darauf. Meine Mutter und ich waschen beispielsweise nur einmal pro Monat Wäsche. Wir legen unsere Wäsche zusammen und waschen erst, wenn es dringend nötig ist. Unsere Zimmer zu heizen können wir uns auch nicht leisten. Deshalb lassen wir die Heizung aus“, erklärt Marina mit sorgenvollem Gesicht, wohl wissend, dass es bald kälter werden wird.