Die Dörfer im Süden von Afghanistan liegen abgelegenen. Kein Arzt. Kein Krankenhaus. Keine Apotheke. Für MEDAIR sind es genau diese Orte, an denen wir den Menschen helfen. Mit zu mobilen Kliniken umfunktionierten Fahrzeugen besuchen wir diese vergessenen Dörfer – und retten Kinderleben.

Jetzt hat Latifa* etwas Zeit. Ich treffe sie bei einem Hilfseinsatz mit einer mobilen Klinik. Sie streift den weißen Kittel ab, rückt ihren Hijab zurecht und setzt sich neben mich. „Ich freue mich sehr, mit dir zu sprechen“, sagt sie lächelnd und tätschelt meine Hand. „Es ist so wichtig, dass wir anderen von unserer Arbeit erzählen.“

Latifa ist Krankenschwester und arbeitet in einer der fünf mobilen Ernährungskliniken von Medair im Süden von Afghanistan. Die medizinischen Teams fahren in abgelegene Dörfer und Gemeinschaften. Dort leben sehr viele akut unterernährte Babys, Kleinkinder, schwangere Frauen und stillende Mütter. Mit den mobilen Kliniken haben sie erstmals überhaupt die Chance auf medizinische Versorgung.

In 37 Dörfern im Süden des Landes sind die Ernährungsteams aktiv. Es sind vergessene Krisenregionen. Seit Jahren arbeitet MEDAIR in Afghanistan in schwer erreichbaren Regionen und versorgt bedürftige Menschen mit Gesundheits-, Ernährungs- und Hygienediensten. Wir stellen sauberes Trinkwasser und Latrinen bereit; wir unterstützen beim Anlegen von Gemüsegärten und anderen landwirtschaftlichen Projekten.

*alle Namen aus Sicherheitsgründen geändert

Mit einem speziellen Testband wird der Ernährungszustand von Kindern gemessen. Grün bedeutet: alles in Ordnung.

„Geduldig warten die Menschen vor den Fahrzeugen“, erklärt Latifa einen Einsatz. Die wenigsten können lesen und schreiben. Deshalb erklären Gesundheitsförderer von Medair mit Schautafeln und Bildern, wie hygienisches Verhalten, etwa regelmäßiges Händewaschen, Krankheiten wie Durchfall vermeiden kann. „Wir sprechen darüber, warum es wichtig ist, Babys über Monate hinweg ausschließlich zu stillen. Dann testen wir besonders Kinder unter fünf Jahren auf Unterernährung und beurteilen, welcher Patient welche Behandlung benötigt. Nach getaner Arbeit, packen wir zusammen und fahren ins nächste Dorf.“

Seit die mobilen Teams von Dorf zu Dorf fahren, wurden 62.997 Kinder unter fünf Jahren untersucht. 12.608 von ihnen konnten behandelt werden.

"Ich liebe es, unsere Patienten zu empfangen. Ihre Augen sind voller Hoffnung. Es ist dieser Augenblick, der mich Tag für Tag motiviert." Latifa, Mitarbeiterin einer mobilen Klinik von Medair

Eine Krankenschwester füttert dieses einjährige Mädchen mit einer hochkalorischen, therapeutischen Nahrung.

Gerade kommt Latifa von einem Einsatz aus einem Vertriebenenlager zurück. Den ganzen Morgen hat sie sich dort um Patienten kümmert. „MEDAIR zeichnet sich dadurch aus, dass wir in solch abgelegenen Regionen arbeiten. Darauf bin ich stolz, denn es gibt kaum andere Organisationen hier. Ja, Sicherheitsvorfälle machen manchmal Angst. Aber noch frustrierender ist es, wenn wir aufgrund von Konflikten unsere Patienten nicht aufsuchen können.“

Im Süden Afghanistans ist die Sicherheitslage volatil. Manchmal wird erst in letzter Minute entschieden, ob die mobilen Kliniken in die Dörfer fahren können. Das Risiko wäre andererseits für Mitarbeiter und Bewohner zu hoch.

"Ich habe schon öfter in gefährlichen Regionen gearbeitet. Sicherheit ist in Afghanistan ein allgegenwärtiges Thema. Was aber, wenn ich nicht gehe? Wer kümmert sich dann um die Menschen? Wer übernimmt die Verantwortung? Wenn ich mir die Kinder ansehe und mit ihren Eltern spreche, weiß ich, dass wir das Richtige tun: Wir engagieren uns für sie." Krankenschwester Latifa

Ali und Ahmad haben an Gewicht zugelegt. Dank der mobilen Klinik von Medair haben sich gut erholt. @Medair

Die Akzeptanz und das Vertrauen der Dorfbewohner sind  Türöffner für unsere Projekte. Latifa und ihre Kollegen bauten gute Beziehungen zu den Leitern der Dörfer und den Menschen in den Gemeinschaften auf. „Wenn wir Patienten behandeln, ist es unsere Pflicht, sie bestmöglich zu betreuen“, sagt Latifa. „Ich erkläre ihnen daher immer, dass wir alle Menschen sind und es keinen Unterschied zwischen ihnen und mir gibt. Es ist mir ein Anliegen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.”

“Wenn sie sehen, wie respektvoll wir ihnen begegnen, fangen sie an, uns zu vertrauen. Dann bringen sie zunächst nur eines ihrer Kinder zur Klinik. Das nächste Mal sind es dann zwei. Nachdem sie gute Erfahrungen gemacht haben, berichten sie ihren Nachbarn und Freunden von ihren positiven Erlebnissen – und machen so Werbung für unser Ernährungsprogramm!“

Bei ihrer Arbeit, denkt Latifa oft an ihren eigenen Sohn. „Jeden Tag sehe ich Kinder, die an Unterernährung leiden. Das könnten auch meine Babys sein. Diese Kinder haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Deshalb gebe ich alles für sie. Während der Behandlung können wir beobachten, wie es ihnen täglich besser geht und sie wieder gesund und munter werden.“

„Wenn ich morgens in meinen Kittel schlüpfe und mich auf den Weg zur Arbeit mache, will mein Sohn am liebsten mit. Manchmal zieht er sich sogar selbst eine weiße Jacke an! Das ist gut. Er soll merken, dass es wichtig ist, anderen Menschen zu helfen. Wenn er groß ist, möchte er Arzt werden, sagt er. Das macht mich sehr glücklich.“

Nach unserem Gespräch gibt Latifa mir noch eine persönliche Botschaft an alle Unterstützer von Medair mit auf den Weg:

„Menschen, die in Regionen leben wie hier im Süden von Afghanistan, haben oft keinen Zugang zu Krankenhäusern, Ernährungsdiensten oder sogar Nahrungsmitteln – also zu dem, was jeder Mensch zum Leben braucht. Die Menschen sind einzig und allein mit dem Überleben beschäftigt. Bitte setzen Sie sich weiterhin für diese Projekte ein!“


Bitte unterstützen Sie mit einer Spende unsere Projekte in Krisen- und Konfliktregionen. Wir möchten weiterhin Menschen die Hilfe geben, die sie so dringend brauchen. Vielen Dank!

 

Partner von Medair international:

Mennonitisches Zentralkomitee (Kanada)
Global Affairs Canada
Common Humanitarian Fund
US-Behörde für Internationale Entwicklung
Private Spender

Die Inhalte dieses Artikels stammen von Medair-Mitarbeitenden in den Einsatzgebieten sowie am internationalen Hauptsitz. Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen entsprechen ausschließlich den Ansichten von Medair und nicht zwingend auch dem offiziellen Standpunkt anderer Hilfsorganisationen.