Kul Bahadur Magar lebt in einem abgelegenen Bergdorf in Nepal. Der 41-Jährige ist von Geburt an blind. Gerade lehnt er an einer Hauswand. Die Sonne wärmt sein Gesicht. Er sortiert Gemüse. Aus der Nachbarschaft dringen die Stimmen der Bauleute herüber. Hämmer klopfen auf Steine. Sand wird in Schubkarren geschaufelt. Lachen. Seit Medair in sein Dorf gekommen ist, sind es vertraute Geräusche. Sie stehen für Zuversicht. Für Stärke und Würde. Denn gerade bauen Nachbarn gemeinsam ein weiteres Haus, das Erdbeben besser trotzt. Kul Bahadur lächelt zufrieden.

Die Erdbeben im Frühjahr 2015 in Nepal gelten als die tödlichsten in der Geschichte des Himalayastaates. Mehr als 8.700 Menschen starben. Im Distrikt Ramechhap östlich von Kathmandu wurden 91 Prozent der Häuser zerstört. Auch das von Kul Bahadur. Er erinnert sich an den ohrenbetäubenden Krach, die Erschütterungen und das Geschrei der Menschen. Der blinde Mann robbte hastig aus seinem Haus. Das rettete ihm das Leben. Doch alles andere war verloren.

In den Höhen der grünen Berge von Ramechhap liegen hunderte Dörfer verstreut. Manche sind nur über Bergpfade zu erreichen. Nach den Erdbeben dorthin Nothilfe zu bringen, war selbst für unsere erfahrenen Helfer von Medair schwierig – aber nicht unmöglich. Kurz nach der Katastrophe verteilten sie Unterkunftssets und Hygieneartikel. Manche Familie hatte nicht einmal mehr einen Topf, Tassen und Teller.

Und Medair blieb länger in Nepal. In Abstimmung mit der Nationalen Wiederaufbaubehörde des Landes entwickelten wir ein Programm, das die Bedürftigen einbezog. Gemeinsam mit einem nepalesischen Partner setzten wir es in den vergangenen drei Jahren erfolgreich um; dank „Arma parmah“.

Dieses System ist in der nepalesischen Kultur bekannt. Menschen teilen sich die Arbeit und helfen einander bei ähnlichen Aufgaben. Ursprünglich verbreitet in der Landwirtschaft passte Medair den Ansatz für den Bau katastrophensicherer Häuser an. Zunächst frischten wir das Wissen geübter Maurer auf und vermittelten ungelernten Helfern Basiswissen. Nach und nach wollten immer mehr Männer und Frauen zu einem „Arma parmah“-Team gehören. Zehn bis zwölf Haushalte bildeten eine solche Arbeitsgruppe aus Verwandten, Nachbarn, aus gelernten und ungelernten Maurern. Die Teams bauten nun gegenseitig und gemeinsam ihre neuen Häuser. Fachkräfte halfen Laien. Wer viel hatte, gab dem, der wenig hatte. Lediglich mit Finanzmitteln, Know-how, Baumaterial und beim Transport unterstützte Medair.

Während weitere Fundamente gelegt, Mauern hochgezogen und Dächer gedeckt wurden, besuchten nepalesische Ingenieure von Medair die Baustellen und gaben technischen Support.Auch Kul Ba hadur fasst e mit an: „Ich bin nützlich, auch wenn ich blind bin. Ich mische Schlamm und helfe beim Fundament. Es macht Spaß, so zusammenzuarbeiten.“

Mehr als 1.300 Häuser sind bis Ende April 2019 in den Bergen Nepals entstanden. Überall stechen ihre blauen Dächer aus dem Grün der Berge hervor. Jeder Hausbesitzer erhielt auch ein Zertifikat über sein erdbebensicheres Haus. Gut sichtbar hängt diese Urkunde im Haus von Kul Bahadur. Er und seine Frau sind stolz, dass sie selbst mitgebaut haben. „Vielen Dank für eure Hilfe. Jetzt fürchte ich mich weniger vor den Erdbeben, denn mein Haus ist sicher.“

Vielen Dank für Ihre Unterstützung mit einer Spende und im Gebet. Sie helfen uns helfen!