Schwanger und gleichzeitig auf der Flucht aus einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt: Das ist die Geschichte von Marta, eine syrische Geflüchtete im Libanon.

Geflüchtete Menschen haben an mehreren Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Sie sind vertrieben aus ihrer Heimat, erleben auf ihrer Flucht oft traumatische Ereignisse und müssen in ihrem Aufnahmeland mit großer Unsicherheit leben. Sie schauen einer ungewissen Zukunft entgegen. Der Verlust von Familienmitgliedern, vertrauten Umgebungen und Unterstützungssystemen kann zudem großen emotionalen Stress zur Folge haben und vor allem ohnehin vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Kinder ernsten Gefahren aussetzen.  

Während der Schwangerschaft fliehen zu müssen, bringt zusätzliche Schwierigkeiten mit sich, die für die werdenden Mütter oft überwältigend sein können. Für eine gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes ist der Zugang zu wesentlichen Gesundheitsdiensten unabdingbar. Doch auf der Flucht und in einem fremden Aufnahmeland, in dem man rechtlich eingeschränkt ist, ist dieser Zugang häufig nicht gewährleistet oder versperrt. Um eine Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe zu erhalten, müssen geflüchtete Mütter erhebliche Hürden überwinden. So war es auch für Marta, eine 29-jährige Syrerin, die mit ihrer Familie im Libanon Zuflucht gesucht hat.  

Es ist sehr belastend, ständig Hindernisse überwinden zu müssen. Ich mache mir Sorgen über unsere Zukunft. Wie soll ich mein Kind ernähren, wenn ich mich selbst kaum ernähren kann? Ich muss zu allererst auf meine eigene Gesundheit achten, denn die Gesundheit meines Kindes hängt davon ab”, sagt Marta. 

Mehr als zwölf Jahre nach Ausbruch des Syrien-Konflikts leidet der Libanon weiterhin unter einer der schlimmsten sozioökonomischen Krisen der Welt. Die Wirtschaft des Libanon war aufgrund jahrzehntelanger politischer Instabilität und Korruption bereits fragil, doch der enorme Zustrom von Geflüchteten hat sie weiter destabilisiert.

Das Land beherbergt die höchste Anzahl Geflüchteter pro Kopf weltweit. Während des letzten Jahrzehnts haben im Libanon rund 1,5 Millionen syrische Menschen Schutz gesucht. Die Krise in Syrien wirkt sich weiterhin auf die libanesische Wirtschaft, die öffentlichen Einrichtungen und die Bevölkerung aus, so dass sowohl die Flüchtlingsals auch die Aufnahmegemeinschaften mit einem eingeschränkten Zugang zu lebensnotwendigen Gütern wie Lebensmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung und Beschäftigung zu kämpfen haben, und das bei gleichzeitiger Abwertung des libanesischen Pfunds und hohen Inflationsraten. 

Ich lerne Marta während einer Hebammensprechstunde in einer informellen Siedlung in Baalbek-El Hermel kennen. Die 29-jährige ist in der siebten Woche schwanger. Mit ihrer Familie lebt sie in einer überfüllten Zeltsiedlung im Bekaa-Tal – weder ein sicherer noch idealer Wohnort für eine werdende Mutter, aber sie hat keine andere Wahl. Wie alle Geflüchteten im Libanon bemüht sie sich täglich, mit begrenzten Mitteln über die Runden zu kommen. Auf Martas Schultern liegt eine spürbar schwere Last. Ihre Gedanken kreisen um die Zukunft und sie macht sich Sorgen um das Wohlergehen ihres ungeborenen Kindes. Wie soll es inmitten dieser instabilen und chaotischen Umgebung gut und gesund aufwachsen können? 

Während des Beratungsgesprächs erzählt mir Marta von den jüngsten Problemen ihrer Familie. Aufgrund der steigenden Preise für lebenswichtige Güter und ihrer finanziellen Lage hat ihre Familie beschlossen, die Mahlzeiten zu kürzen. Eine werdende Mutter sollte solche Nöte nicht ertragen müssen, aber Marta schien entschlossen, ihre Gesundheit und die ihres Babys über alles zu stellen. Als Marta von ihren Gefühlen erzählt, glänzen ihre Augen. “Als werdende Mutter in meiner Situation ist jeder Tag ein harter Kampf”, sagt sie. “Die Stabilität unserer Lebensbedingungen ist ungewiss, und der Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Wasser, Strom und medizinischer Versorgung ist ein ständiger Kampf. Die ständige Überwindung von Hindernissen ist eine tägliche Belastung. Ich mache mir Sorgen um unsere Zukunft. Wie soll ich mein Kind ernähren, wenn ich mich selbst kaum ernähren kann? Ich muss meiner Gesundheit Vorrang einräumen, denn die Gesundheit meines Kindes hängt davon ab.” 

Trotz der Herausforderungen ist Marta überaus dankbar, Zugang zu wesentlichen Gesundheitsdienstleistungen zu haben. “Es ist ein Segen, dass ich trotz steigender Kosten und der anhaltenden Krise immer noch hier bin und von einer Fachkraft betreut werde”, sagt sie. “Dass jemand zu mir kommt, bedeutet, dass ich meine Gesundheit und die meines Babys in den Vordergrund stellen kann, ohne mir zu viele Gedanken darüber machen zu müssen, wie ich mir den Transport leisten kann oder wie ich mich in der unsicheren Lage um mich herum zurechtfinde.”  

Durch die Beratung durch eine Hebamme in ihrem Zelt konnte Marta die für eine gesunde Schwangerschaft notwendigen Anpassungen vornehmen und sich gleichzeitig über ihre Gesundheit und die ihres ungeborenen Kindes informieren. “Heute wurde bei der Nachuntersuchung mein Blutdruck gemessen, mein Sauerstoffgehalt und mein Blutzuckerspiegel überprüft”, sagt sie. “Zainab (die Hebamme von Medair) informierte mich darüber, dass ich zu wenig Eisen zu mir nehme. Das liegt an der mangelnden Gewichtszunahme während meiner Schwangerschaft, und deshalb muss ich versuchen, in Zukunft so viel wie möglich zu essen. Ohne diese Beratung heute hätte ich wahrscheinlich nichts von meinem Eisenmangel gewusst.” 

Martas Entschlossenheit, für sich und ihr ungeborenes Kind eine bessere Zukunft zu schaffen, leuchtet hell auf. Werdende Mütter wie Marta haben verschiedene Bedürfnisse, um eine gesunde Schwangerschaft und eine sichere Entbindung zu gewährleisten. Für eine Person, die in Martas Situation lebt, ist die Erfüllung dieser Bedürfnisse mit vielen Hindernissen verbunden. Am Ende der Beratung war es für mich ein Trost zu wissen, dass Marta von einem Fachmann betreut wurde. Ich hoffe, dass Marta weiterhin für eine gesunde Schwangerschaft und eine sichere Geburt sorgen kann, und ich bete für einen positiven Ausgang für sie als Mutter und ihr Baby. 

Die Gesundheitsdienste von Medair im Libanon werden durch das Deutsche Auswärtige Amt sowie durch großzügige private Spenderinnen und Spender finanziert