Als Tuka 29 Jahres alt war, floh sie mit ihren zwei Kindern von Syrien nach Jordanien. Nur zehn Tage zuvor hatte sie ihr zweites Baby zur Welt gebracht. Während der Flucht litt sie unter Fieber und den Folgen der schweren Geburt, bei der sie viel Blut verloren hatte.

Mit dem Ziel, das Lager Zaatari in Jordanien zu erreichen, war sie durch die Dunkelheit gelaufen. UnterweMedair Relief workergs hatte sie ihren Kindern Hustensaft verabreicht, um sie zu beruhigen. Zu gross war ihre Angst gewesen, erwischt zu werden.

Ihr Mann Malek war bereits Monate zuvor geflohen. Ihm hatte in der Heimat Verfolgung gedroht. In Jordanien wollte er Arbeit suchen, um seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Doch der gelernte Buchhalter fand keine Stelle. Ohne Einkommen musste die Familie in einer kalten, fensterlosen Unterkunft ausharren.

Ein Jahr später erhielt Malek endlich eine Arbeitsbewilligung. Diese erlaubte dem Flüchtling aus Syrien, einer handwerklichen oder Tätigkeit ohne Qualifizierung nachzugehen. Er begann, für wenig Geld in einer Bäckerei auszuhelfen. Immerhin reichte sein Lohn für eine kleine Zweizimmerwohnung.

Das Leben als Flüchtlinge war nicht einfach. Tuka und Malek stritten sich immer häufiger. Sie machten sich Gedanken über ihre restliche Familie in Syrien. Es schmerzte sie, dass sie nicht alle versorgen konnten. Sie fühlten sich niedergeschlagen und trauerten um ihr verlorenes Haus und die verlassene Heimat.

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Jetzt haben wir drei wunderbare kinder.

„Wir hatten keine Ahnung, dass es Programme gibt, in denen man über seine Situation und Erfahrungen sprechen kann“, so Tuka. „Medair bot mir eine solche Therapie an. Zu der Zeit war die Beziehung zwischen Malek und mir auf dem Tiefpunkt. Ich wusste wirklich nicht weiter. Als ich von Medair die Chance erhielt, über meine Ängste und das erlittene Trauma zu sprechen, war ich sehr erleichtert.“

Auch Malek fiel sofort auf, dass die Gespräche seiner Frau guttaten. „Sie sah irgendwie anders aus“, erinnert sich Malek mit einem Lächeln.

"Ich ermutigte sie weiterzumachen, denn ich hoffte, dass sich dadurch auch für uns als Paar etwas ändern würde." Malek

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Gruppenleiterin Duha zeigt einige der von den Frauen angefertigten Bilder.

Während einer Gruppensitzung im Rahmen der Therapie fertigte jede Frau ein Bild an, welches in der Runde weitergereicht wurde. Jede Teilnehmerin ergänzte die fremden Bilder mit etwas Persönlichem. „Das fand ich grossartig“, so Tuka. „Es hat mir gezeigt, wenn wir anderen Positives zufügen, kehrt es im Idealfall zu uns zurück. Auf jeden Fall macht es glücklich.“

Die psychosoziale Unterstützung von Medair hat Tuka und rund 250 anderen Frauen geholfen, ihre Emotionen auszudrücken. „Lange Zeit habe ich meine Gefühle unterdrückt. Doch in der Gruppe fühlte ich mich gut aufgehoben und respektiert“, sagt Tuka. „Langsam aber sicher wurde mir klar, dass unsere Eheprobleme nichts mit den Geldsorgen zu tun hatten. Uns fehlten unsere Familien, wir waren isoliert, hatten keinen sozialen Status in der Gesellschaft – und konnten noch nicht einmal mit jemandem darüber reden.“

"Ich hatte nicht erwartet, dass sich jemand um meine psychologische Verfassung sorgen würde. Mein Leben hatte sich angefühlt wie ein Puzzle, das auseinandergerissen worden war – Medair hat mir geholfen, die einzelnen Teile wieder zusammenzufügen." Tuka

Immer wieder fragt Tuka die Gruppenleiterin Duha, ob nicht weitere solcher Programme durchgeführt werden könnten. „Es gibt so viele Männer und Frauen, denen das sehr guttun würde“, sagt sie. „Es würde ihnen helfen, im Leben wieder Tritt zu fassen – genau wie mir.“


Medair bietet vermehrt psychosoziale Unterstützung an. Diese wirkt erfreulich heilsam – gerade im Leben von Vertriebenen, die sonst die Hoffnung aufgeben würden. Wir freuen uns sehr, wenn Sie diese wertvolle Arbeit mit einer monatlichen Spende unterstützen.

Die Arbeit von Medair in Jordanien wird ermöglicht durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA, die Stiftung Glückskette, den Jordan Humanitarian Fund (durch OCHA), die Teamco Foundation (CH) sowie private Spenderinnen und Spender. 

Die Inhalte dieses Artikels stammen von Mitarbeitenden von Medair in den Einsatzgebieten sowie am internationalen Hauptsitz. Die geäusserten Meinungen entsprechen ausschliesslich jenen von Medair und damit nicht unbedingt dem offiziellen Standpunkt anderer Hilfsorganisationen.