In den kommenden Tagen verteilt Medair in Mosambik weiterhin Bausätze für Unterkünfte, Küchenutensilien, Hygieneartikel sowie Güter zum Schutz vor Cholera an die Überlebenden des Sturms Idai. Über 300 Familien wurden bislang versorgt. Insgesamt 2000 Haushalte in besonders abgelegenen und schwer betroffenen Teilen der Provinz Sofala werden mit dieser ersten und auf drei Monate angelegten Nothilfephase unterstützt.

„Die Menschen versuchten aus ihren Häusern zu fliehen. Doch es gab kein Entkommen“, erinnert sich Thomas. „Das Wasser hatte unser Dorf bereits eingeschlossen. Ich sah, wie meine Nachbarn sich auf Bäume retteten. Mütter befestigten Moskitonetze an hohen Ästen und setzten ihre Kinder hinein.“ Thomas ist Gemeindevorsteher von Chiboma. Das kleine Dorf liegt am Ufer des Flusses Buzi im Bezirk Chibabava in Mosambik. Allein hier sind mehr als 160 Familien vom Zyklon Idai und seinen Auswirkungen betroffen. „Es ist das erste Mal, dass eine internationale Hilfsorganisation uns unterstützt“, so Thomas und berichtet mir mehr von der Tragödie, die sich in den vergangenen Tagen in seiner Region abspielte – und die vermutlich noch lange nicht zu Ende ist.

Die Menschen in Chiboma leben in Lehmhütten. Kaum ein Haus wurde von Zyklon Idai und den Überschwemmungen verschont. @Medair/Paola Barioli

Sein Dorf gehört zur Provinz Sofala in Zentral-Mosambik. Es brauchte acht Stunden von Beira aus bis das Nothilfeteam von Medair Chiboma endlich erreichte. Mir stockte der Atem. Das Ausmaß der Katastrophe und das Leid der Betroffenen lassen sich kaum in Worte fassen.

Nach der Katastrophe suchten die Dorfbewohner bereits nach vermissten Nachbarn. „Die Leute harrten stundenlang aus, bevor die ersten lokalen Rettungskräfte kamen“, fährt Gemeindevorsteher Thomas fort. „Alle halfen sich gegenseitig. Frauen hievten ihre Kinder in die Rettungskanus hinein. Es war ein Chaos. Die Leute schrien durcheinander. Gott sei Dank wurde niemand ernsthaft verletzt. Andere Dörfer hatten nicht so viel Glück. Dort wird jetzt um viele Verstorbene getrauert.“

Wie viele andere Orte am Flussufer wurde Chiboma von den Überschwemmungen schwer getroffen. Das Hochwasser kam mitten in der Nacht. Traditionelle Lehmhäuser, Tiere und Felder wurden einfach weggeschwemmt. Laut lokalen Behörden sind in der Region Hunderte Menschen direkt von den verheerenden Auswirkungen des Zyklons betroffen.

„Obdachlose Menschen harren in Schulen aus“, so ein Regierungsbeamter. „Wir versuchen, ihnen zu helfen, aber im Moment können wir gewisse Gebiete immer noch nicht erreichen. Die Straßen sind seit den Überschwemmungen unbefahrbar. Wir hoffen, dass der Boden in den kommenden Tagen trocknet, damit wir endlich zu diesen Dörfern vordringen können.“

Medair war die erste Hilfsorganisation, die nach Wirbelsturm Idai das entlegene Dorf Chiboma erreicht. @Medair/Paola Barioli

Die logistischen Herausforderungen sind in der Tat gewaltig, weshalb bisher die Betroffenen nur wenig Hilfe bekamen. An einigen wenigen Orten finden Lebensmittelverteilungen statt. Aber um die Orte zu erreichen, müssen Hilfsbedürftige oft lange Strecken zu Fuß zurücklegen. Zum Teil ist Hilfe auf dem Landweg aber auch gar nicht möglich: In einem Dorf auf der Westseite des Flusses Buzi warten Überlebende noch auf Hilfe. Normalerweise ist das Dorf auf dem Wasserweg erreichbar, doch die meisten Boote wurden von den Fluten mitgerissen. In dem Fluss leben Krokodile. Die Menschen haben Angst, mit kleinen Holzkanus überzusetzen.

Während viele Ortschaften noch unter Wasser stehen, sinkt der Wasserpegel in anderen Gebieten. Die Menschen kehren nach und nach zurück. „Es ging alles so unfassbar schnell“, sagt Thomas. „Die nationale Katastrophenschutzbehörde warnte uns zwar bereits vor zwei Wochen, dass sich etwas Großes abzeichnet: Aber wir wussten nicht, wann genau. Da wir direkt am Fluss leben, sind wir es gewohnt, dass er ab und zu über die Ufer tritt. Wir sind hier zuhause. Hier haben wir unsere Familie, unsere Freunde, unser Vieh und unsere Felder. Wir haben keinen anderen Ort, an den wir gehen können. Deshalb entschieden wir uns, hier zu bleiben. Mit dieser Intensität des Zyklons hatte jedoch wirklich niemand gerechnet.“

Witwe Rosa: "Ich habe alles verloren. Meine Hütte ist kaputt. Meine Ernte, mein Vieh ist weg. Nachts kann ich nicht schlafen. Wie soll ich meine Kinder ernähren?"

Während wir mit Gemeindevorsteher Thomas sprechen, setzen sich Dorfbewohner zu uns. Eine Frau meldet sich zu Wort: „Wir brauchen Moskitonetze“, sagt sie. „Unsere haben wir in den Fluten verloren. Seither können wir kaum mehr schlafen. Auch Decken fehlen uns und Pfannen und Töpfe, damit wir wieder kochen können“.

Die Frau heißt Rosa Manuel. Sie ist in Chiboma aufgewachsen und lebt mit ihren neun Kindern im Dorf. Ihr Mann starb vor Jahren. Vor Idai baute sie Mais und Erdnüsse an. „Alle im Dorf schliefen. Als ich merkte, was geschah, weckte ich sofort die Kinder und wir rannten los. Die beiden Kleinsten trug ich auf dem Arm. Das Dach meines Hauses hält zwar noch, aber zum Teil fehlen die Wände. Wenn es regnet, läuft Wasser hinein“, sagt Witwe Rosa.

Ich frage Rosa, wovor sie sich am meisten fürchtet. Sie blickt zu Boden und nach einer langen Pause antwortet sie leise: „Ich habe Angst, dass ich meine Kinder bald nicht mehr ernähren kann. Meine Ernte, mein Vieh, mein ganzer Besitz sind weg. Ich habe wirklich Angst. Die Leute im Dorf sagen, dass bald eine weitere Katastrophe kommen wird. Ob das stimmt oder nicht: Auf jeden Fall möchte ich nächstes Mal besser vorbereitet sein.“

"Es ist das erste Mal, dass eine internationale Hilfsorganisation uns unterstützt. " Thomas, Gemeindevorsteher von Chiboma


In Beira und anderen Städten hat der Wiederaufbau begonnen – das ist ermutigend. Aber wir dürfen kleinere, schwer erreichbare Ortschaften, wo die Menschen noch immer auf Hilfe warten auf keinen Fall vergessen.

Für unsere lebensrettende Hilfe arbeiten wir mit Food for the Hungry zusammen. Die Entwicklungshilfeorganisation ist seit 1987 im Land aktiv. Gemeinsames Ziel ist, den dringendsten Bedarf an Ernährungs- und Gesundheitsleistungen sowie Notunterkünften in besonders abgelegenen und schwer betroffenen Teilen der Provinz Sofala zu decken.

Mehr über unsere Nothilfe in Mosambik hier…

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